Der Nationalpark
Einer der ältesten Nationalparks Europas in Gefahr
Mazedonien
Der Mavrovo Nationalpark in Mazedonien ist einer der ältesten Nationalparks Europas. Er ist bekannt für seine ausgedehnten Buchwälder, alpinen Matten, sowie für seine unberührten Flüsse und Bäche. Eine enorme Vielfalt verschiedenster Arten – seltene Forellenarten, Wölfe, Bären, Otter – finden im Park einen geeigneten Lebensraum. Eine Art sticht jedoch besonders hervor: der Balkanluchs (Lynx lynx balcanicus). Im Mavrovo Nationalpark lebt die letzte derzeit bekannte, sich regenerierende Population des Balkanluchses, eine vom Aussterben bedrohte Unterart des Eurasischen Luchses.
Außerdem beheimatet der Park über 1.000 unterschiedliche Pflanzenarten. Er ist Teil des südlichsten Abschnitts des Grünen Bands Europa – ein Netzwerk aus ökologisch wertvollen Gebieten, das im Schutz des ehemaligen Eisernen Vorhangs erhalten geblieben ist
Die Bedrohung
Die Bedrohung
Zum ersten Mal wurde der Mavrovo Nationalpark in den 1950er Jahren beeinträchtigt, als ein mittelgroßes Wasserkraftwerk (WKW Vrben) innerhalb seiner Grenzen gebaut wurde. Nun ist zusätzlich zu Vrben innerhalb des Parks ist der Bau von zwei weiteren großen Wasserkraftwerken (WKW) – „WKW Boskov Most“ und „WKW Lukovo Pole“ – sowie 20 weitere Kraftwerke geplant. Sollten diese Vorhaben oder auch nur Teile davon umgesetzt werden, würde das verheerende Folgen für Natur und die hier lebenden Arten haben – und natürlich den Nationalpark ad absurdum führen. Dann droht sogar die Aberkennung des Nationalparkstatus.
Von den insgesamt 22 Projekten sind zwei bereits fertiggestellt und in Betrieb. Ein weiteres ist im Bau, während die übrigen 19 Projekte in den nächsten Jahren gebaut werden sollen. Jedes einzelne dieser Projekte zerstört einen Bach im Nationalpark; die Gesamtauswirkungen aller Projekte und die dafür notwendige Infrastruktur würden noch weitreichendere Folgen haben. Danach würde fast kein Bach mehr frei fließen, und das mitten im Nationalpark. Dies wird dadurch verstärkt, dass nach mazedonischem Recht für Projekte mit einer Kapazität bis zu 5 MW keine Umweltverträglichkeitsprüfung vor der Konzessionsvergabe erforderlich ist.
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Boskov Most
Wasserkraftwerk "Boskov Most"
Das Staudammprojekt Boskov Most soll im oberen Mala Reka Tal im südlichsten Teil des Nationalparks umgesetzt werden. Finanziert werden soll das Projekt hauptsächlich von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Das Wasserkraftwerk ist für die Spitzenstromerzeugung konzipiert. Dazu werden die Abflüsse der Mala Reka und ihre zwei Hauptzuflüsse sowie zahlreiche kleinere Bäche in diesem Gebiet mit Hilfe von Rohrleitungen und Kanälen in einen Stausee umgeleitet. Nach Bedarf wird das Wasser einmal pro Tag abgelassen. Dieser tägliche Schwallbetrieb hat katastrophale Auswirkungen auf Biodiversität und Artenbestand in den Flussabschnitten unterhalb des Kraftwerks – und all das innerhalb eines Nationalparks. Darüber hinaus leidet die Gewässerökologie des gesamten Tals, wenn derart stark in den natürlichen Wasserhaushalt eingegriffen wird.
Entgegen des offiziellen Gutachtens zur Auswirkung des Projekts Boskov Most auf die Biodiversität – ausgearbeitet im Auftrag des mazedonischen Energiekonzerns ELEM – würde das WKW Boskov Most sehr wohl zu einem gravierenden Verlust der Biodiversität und zu einem Bestandsrückgang bedrohter Arten führen. International renommierte ExpertInnen haben das Gutachten analysiert und kamen zu folgenden Ergebnissen:
„Die geplante Trockenlegung der Flüsse wird unmittelbare negative Folgen für die Fisch-Habitate und Fischbestände im Einzugsgebiet der Mala Reka haben. Was den Otter betrifft ist das Gutachten unserer Meinung nach oberflächig, unvollständig und irreführend. Es ist offensichtlich, dass die Gefahren für diese bedrohte Art nicht ernst genommen werden.“
Dr. Nicole Duplaix, Vorsitzende der IUCN‐SSC Otter Special Group
„Die geplanten Maßnahmen im Nationalpark werden starke negative Auswirkungen auf den Bestand der heimischen Forellen haben, welche aus dem Stauseebereich und den Flussabschnitten unterhalb des Staudammes weitgehend verschwinden werden [...]“
Dr. Jörg Freyhof, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin und europäischer Vorsitzender der IUCN SSC/WI Freshwater Fish Specialist Group
„Insgesamt scheint die Meinung vorzuherrschen [...], als ob die negativen Auswirkungen leicht abgemildert werden könnten. Diese Meinung kann ich nicht [...] unterstützen, und [...] ich bin der festen Überzeugung dass dies in starkem Widerspruch zu den wichtigsten Management-Zielen eines IUCN Kategorie II Nationalparks steht.“
Dr. Steven Weiss, IUCN Salmonid Specialist Group (SSG) und Red List Authority (RLA) for Salmonid Fishes in Eurasia
“In Mavrovo findet sich [...]das letzte reproduzierende Vorkommen des Balkanluchses [...]. Eine zusätzliche Belastung des Bestandes könnte dazu führen, dass eine der am stärksten bedrohten autochtonen Säugetierpopulationen Europas gänzlich ausstirbt“
Dr. Urs Breitenmoser, Co-Vorsitzender, IUCN-SSC Cat Specialist Group
Lukovo Pole
Wasserkraftwerk "Lukovo Pole"
Dieses Projekt ist in Mazedonien nahe der Grenze zum Kosovo geplant. Die Weltbank soll die Hauptfinanzierung übernehmen. Die Planung des WKW Lukovo Pole weist viele Gemeinsamkeiten mit Boskov Most auf. Wasser soll von mehreren Zuflüssen des Radika Flusses abgeleitet und durch ein Rohrsystem in einen Stausee gelenkt werden.
Anfangs war auch das Dlaboka Reka Tal mit seinen einzigartigen, Jahrtausende alten Buchenwäldern unter den vom Staudamm bedrohten Gebieten. Erst kürzlich wurde das Tal von einer internationalen ExpertInnendelegation als potenzielles Welterbe identifiziert und daraufhin von den Finanziers aus den Bauplänen entfernt – ein erster Erfolg. Dennoch wird der Stausee hinsichtlich der Biodiversität der Pflanzenarten in einem der reichsten und schönsten Teile des Nationalparks gebaut. Eine Reihe hoch spezialisierter Pflanzen ist hier zu finden. Laut PlantLife würde das Projekt Lukovo Pole 17 gefährdete Pflanzenarten betreffen, darunter die endemische Schachblumenart Fritillaria macedonica oder die Moorlilienart Narthecium scardicum. Außerdem sind in dem Gebiet 13 gefährdete Lebensräume zu finden, sowie etwa alpine und boreale Heiden (erfasst in Annex 1 der EU Habitat Richtline) oder die balkanopontischen Tannenwälder, die besonders reich an Endemiten sind.
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Schlussfolgerungen
Schlussfolgerungen
- Insgesamt 4.400 ha wären allein von den zwei Staudammprojekten "Boskov Most" und "Lukovo Pole" direkt betroffen.
- Alle Staudammprojekte verletzen Nationalpark-Richtlinien
- Anders formuliert: die EBRD, die Weltbank sowie weitere Investoren der insgesamt 18 Wasserkraftprojekte planen die Finanzierung einer möglichen Aberkennung von Mavrovos Status als Nationalpark.
Wir fordern
- Keine neuen Wasserkraftwerke im Nationalpark!
- Die EBRD, die Weltbank sowie weitere Investoren der kleineren Wasserkraftwerke müssen die Finanzierung dieser Projekte zurückziehen!
- Die mazedonische Regierung muss die Planung dieser Projekte einstellen und bereits laufende Baumaßnahmen umgehend stoppen.
NATIONALPARKS DIENEN DER ERHALTUNG DER NATUR, DER ARTENVIELFALT UND DER ERHOLUNG – SIE SIND NICHT FÜR DEN BAU VON STAUDÄMMEN GEDACHT!
Mehr Fotos hier: Galerie "Mavrovo Nationalpark"
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Das Ökobüro – eine Allianz der österreichischen Umweltbewegung – hat die Wasserkraftprojekte im Nationalpark auf ihre Verträglichkeit mit EU Gesetzgebung und Richtlinien geprüft. Der Report der Rechtsexperten ergab, dass die Projekte im hohen Maße gegen EU Recht verstoßen. Hier der Bericht: Nature destruction under the guise of energy security? Analysing EU law compliance of HPP Plans in Mavrovo NP in Macedonia