Die verheerenden Geschäfte der Kelag am Balkan

Kosovo: Zerstörtes Flussbett im Nationalpark Bjeshket e Nemuna infolge Kraftwerksbau der Kelag (Kelkos) © Shpresa LoshajDie österreichische Kelag – die Kärntner Elektrizität Aktiengesellschaft – stellt sich gerne als ein modernes Unternehmen mit höchsten Umwelt- und Sozialstandards dar. Doch die Realität ist eine andere, die Kelag ist ein Problemunternehmen am Balkan. Seit Jahren protestieren Umweltorganisationen und Anrainer gegen ihre Wasserkraftprojekte und gegen das Verhalten der Mitarbeiter, v.a. im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina. Bei ihren Wasserkraftprojekten nimmt die Kelag auf wertvolle Flussstrecken und bedrohte Arten ebenso wenig Rücksicht, wie auf die lokale Bevölkerung. Erst kürzlich musste die Kelag im Kosovo drei Wasserkraftwerke vom Netz nehmen, weil sie behördliche Umweltauflagen über Jahre nicht erfüllt hatte. Und diejenige, die auf diese Missstände aufmerksam gemacht hat, wurde von der Kelag wegen Rufschädigung angezeigt.

Auch in Bosnien-Herzegowina protestieren Umweltverbände seit Jahren gegen Kelag-Projekte. Dort wurden z.B. Flüsse zerstört, in denen Huchen – eine global bedrohte Fischart – lebten, etwas was im Mutterland Österreich nicht möglich wäre. „Miteigentümer der Kelag ist das Land Kärnten und deshalb mitverantwortlich für das, was die Firma am Balkan aufführt. Landeshauptmann Peter Kaiser sollte als Eigentümervertreter hier umgehend aktiv werden und diese Missstände beenden. Die Kelag sollte strategisch neu ausgerichtet werden und am Balkan keine neuen Wasserkraftwerke mehr bauen. Dafür sind die Balkanflüsse zu wertvoll. Solar und Wind sind dort die weitaus besseren Optionen,“, fordert Ulrich Eichelmann von Riverwatch.

KelKos – die Kelag im Kosovo

Im Kosovo ist die Kelag mit ihrem Tochterunternehmen Kelkos aktiv und seit Jahren in der Kritik. Von 2014 bis 2017 hatte das Unternehmen am Lumbardhi-Fluss nahe der Ortschaft Decan drei Wasserkraftwerke errichtet. Das Gebiet ist Teil des Nationalparks Bjeshkët e Nemuna, der parallel zu den Genehmigungsverfahren für die Kraftwerke 2013 eröffnet wurde. Der Bau der Kraftwerke wurde unter Umweltauflagen genehmigt, die Kraftwerke gingen ans Netz, doch die Kelag erfüllte die Auflagen nicht. Deshalb zogen die kosovarischen Behörden Mitte Oktober 2020 die Reißleine und die drei Kraftwerke mussten vom Netz genommen werden. Ein außergewöhnlicher Vorgang in der europäischen Wasserkraftgeschichte. Inzwischen ist für zwei der drei Anlagen wieder grünes Licht erteilt worden, obwohl die Auflagen weiterhin – etwa die Wiederauffüllung des Flussbets mit Schotter - nicht erfüllt wurden. Ein Wasserkraftwerk ist aber nach wie vor ohne Genehmigung und bleibt abgeschaltet.

„Die Kelag macht Profit mit der Zerstörung unserer Landschaft. Die Firma hat viele Jahre Strom verkauft, ohne die Umweltauflagen zu erfüllen“, so Shpresa Loshaj von der NGO Pishtarët („Fackel“). Monatelang hatte sie auf die Missstände bei den Kelag-Projekten aufmerksam gemacht und u.a. auch Briefe an den Österreichischen Außenminister Alexander Schallenberg sowie die Umweltministerin Leonore Gewessler geschrieben ­ohne je eine Antwort zu bekommen. Insgesamt 61 Organisationen aus dem Kosovo schlossen sich ihrer Kritik an. Statt das Gespräch mit Shpresa Loshaj und ihren Mitstreitern zu suchen, erstattete die Kelag Anzeige gegen sie wegen Rufschädigung.

Der Bauer Bajram Gjoci (links) im Gespräch mit Shpresa Loshaj bei seinen ehemaligen Weidegründen. Die Weide wurde von der Kelag weggebaggert, er kommt nicht einmal mehr zu seinen Ställen (im Hintergrund). © Ulrich Eichelmann/RiverwatchWie die Kelag mit der lokalen Bevölkerung umgeht, zeigt das Beispiel von Bajram Gjoci. Bajram Gjoci ist Bauer, der im Rahmen des Kraftwerkbaus von „Lumbardhi II“wertvolle Weidegründe neben dem Fluss für seine Rinder verloren hat. Die Weiden wurden weggebaggert, um Schotter für den Kraftwerksbau samt der dazugehörigen Infrastruktur (Straßen) zu gewinnen. Bajram Gjoci wurde weder über das Projekt und dessen Folgen für ihn informiert, noch erhielt er eine Entschädigung für seinen Verlust. Wie die Kelag Vertreter mit ihm umgingen, zeigt folgendes Beispiel. Die Kelag hatten in der Nähe seiner verbliebenen Stallungen das Flussbett massiv ausgebaggert und dann einen provisorischen Steindamm gebaut, um einen kleinen See entstehen zu lassen „Die Österreicher hatten vor unseren Ställen und Wohnhütten ein tiefes Loch gegraben. Einmal, als es viel regnete, floss das Wasser in unsere Hütte und es war nahe daran, uns alle und unser Vieh zu töten.... Ich musste mit meiner Familie, meinen Kindern und dem Vieh vier Tage lang im Wald bleiben. Als es aufhörte, versuchte ich einige Steine ​​(Anmerkung: von dem Steindamm) zu entfernen, um den Überlauf zu verringern. Der Österreicher (Anmerkung: hier handelt es sich um Georg Wöber, Direktor von Kelkos) schrie mich an, ich solle die Hände davon lassen. Ich habe nicht auf ihn gehört, ich sagte, siehst du nicht, dass du versuchst, uns alle zu töten? Er antwortete, dies sei seine Fläche, er habe sie gekauft und er werde die Polizei rufen. Ich sagte, okay, lass uns zusammen gehen.“

Für Fitore Pacolli, Parlamentsabgeordnete der ehemaligen Regierungspartei Vetëvendosje! ist das kein Einzelfall. “Dieses Verhalten ist unentschuldbar und erinnert eher an Kolonialisten als an moderne Unternehmen. Wir werden regelmäßig darüber informiert, wie Kelag im Kosovo operiert. Sobald es uns gelingt, in die Regierung zurückzukehren, werden wir in enger Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft sorgfältig analysieren, ob und wie Kelkos gegen die Gesetze des Kosovo verstoßen hat. Wenn wir Beweise finden, wovon wir ausgehen, werden wir gegen das Unternehmen auch rechtlich vorgehen.“ (volles Statement im Anhang)

„Die Kelag muss die angerichteten Schäden von unabhängigen Experten eruieren, Lösungsvorschläge erarbeiten lassen und diese dann umsetzen. Darunter fallen das Schotterabbaugebiet oberhalb des Kraftwerks Lumbardhi II, aber auch die Probleme mit dem Restwasser sowie den Fischtreppen. Immerhin ist das hier ein Nationalpark. Und die Verluste, die Privaten oder der Gemeinde entstanden sind, sind ebenfalls auszugleichen“, so Shpresa Loshaj abschließend.

Internenergo – Die Kelag in Bosnien-Herzegowina

Der Ugar in Bosnien-Herzegowina war ein natürlicher Bergfluss, in dem jedes Frühjahr große Huchen laichten. Nun leiten zwei Kelag- Kraftwerke das meiste Wasser ab und die Huchen bleiben aus. © Amel EmricIn BiH ist die Kelag mit ihrem Tochterunternehmen Interenergo tätig. Auch hier protestieren seit Jahren Umweltorganisationen und Anrainer gegen Wasserkraftprojekte des österreichischen Unternehmens. Am Ugar etwa, einem völlig natürlichen Fluss, in dem jedes Frühjahr die bis über 1 Meter langen Huchen laichten, eine global bedrohte und hoch geschützte Fischart. Bis die Kelag kam, dort zwei Wasserkraftwerke errichtete und das meiste Wasser in Rohre ableitete. Zurück bleiben Rinnsale, zu wenig für die großen Fische. Auch die Fischleitern sind mehr Alibi denn tatsächliche Aufstiegshilfe. „So etwas wäre in Österreich oder anderen EU-Ländern wohl unmöglich, aber bei uns brüsten sich die Kelag-Verantwortlichen noch mit diesen Anlagen“, so Jelena Ivanić von der NGO Center for Environment mit Sitz in Banja Luka. Ähnlich war es an der Sana, auch ein Fluss mit Huchenbeständen. Bis 2018 dort das Wasserkraftwerk Medna errichtete wurde. Jahrelange Proteste hatten nichts genutzt.

„Wir fordern auch hier, dass die Kelag ihre bestehenden Anlagen verbessert, mehr Restwasser im Ugar belässt, die Fischtreppen optimiert. Und dass sie vor allem keine weiteren Wasserkraftwerke in BiH mehr baut“, so Jelena Ivanić. Allerdings unterzeichnete die Kelag im Frühjahr 2020 mit der Serbischen Republik in Bosnien-Herzegowina eine Vereinbarung, in welcher der Bau weiterer Wasserkraftwerke in Aussicht gestellt wird. Umweltverbände, Anwälte und Anrainer werden dagegenhalten.

 

Hintergrundinformationen

  • Die Kelag ist einer der größten Investoren von Wasserkraft am Balkan. Ihre Eigentümer sind das Land Kärnten, die Verbundgesellschaft und der deutsche Energieriese RWE.
  • Die Kampagne Rettet das Blaue Herz Europas will die wertvollsten Flüsse des Balkans vor einem Damm-Tsunami von etwa 3.000 Kraftwerksprojekten retten. Die Kampagne wird von den NGOs Riverwatch und EuroNatur koordiniert und zusammen mit Partnerorganisationen aus den Ländern der Balkanregion durchgeführt.

 

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